Samstag, 19. Februar 2011

concerto / vamos

Träume von der großen weiten Welt

Über den Charme der Wiener Grätzelband Lassos Mariachis

Die Lassos Mariachis zählen bei Gott nicht zu den berühmtesten österreichischen Bands. Ihr Dilemma, das natürlich kein wahres Dilemma ist, beginnt schon damit, dass sie keine richtige Band sind. Die als Mexikaner verkleideten Musiker Jorge Blanco und Raoul Corona machen Klamauk um Bubenträume von Männern, die theoretisch längst erwachsen sind. So wenig wie die beiden nämlich Jorge Blanco und Raoul Corona heißen, so fern liegt ihnen auch das heiße Mexiko. Innerlich. Äußerlich. Da helfen nicht einmal die größten Sombreros. Wahrscheinlich haben Jürgen Plank und Roland Cresnar einmal von Mexiko und der weiten Welt geträumt, als sie noch in ihren Zwanzigern steckten, Tequila tranken und beschlossen, eine Band zu gründen. Ob sie jetzt auch noch davon träumen, sei dahin gestellt. Dem Thema Mexiko haben sie jedenfalls die Treue gehalten. Zu konsequent zieht es sich durch Outfits, „Bühnenshow“ und Musik - eigenwilliger Tex-Mex. Zu konsequent der permanente Bruch damit. „Muchas gracias“ so leidenschaftslos und monoton in das Mikrofon zu hauchen, ist wahrlich eine Kunst. Und genau darin besteht der Charme der Lassos. Jürgen Plank und Roland Cresnar verkörpern in vielerlei Hinsicht so ziemlich das Gegenteil von dem, was hierzulande mit Mexiko konnotiert wird.
Seit elf Jahren sind die Lassos, wie sie von Grätzel-Insidern genannt werden, Bestandteil der Wiener Musikszene und haben es auch schon einmal auf einen FM4-Sampler geschafft. Eben haben sie ihre dritte CD präsentiert, einmal in Graz, wo ihre Wurzeln liegen, einmal im Wiener Exil: „Vamos“, so der Titel des neuen Albums. Erstmals in ihrer Geschichte haben sie auch einen Videoclip produziert – da sollten sie bei aller Ironie allerdings noch tüfteln. Ansonsten lässt sich kaum etwas aussetzen.
„Vamos“ bietet die gewohnte Mischung aus nett ins Ohr flutschender Gitarremusik, sanften, gut harmonisierenden Männerstimmen und äußerst amüsanten Texten, die prinzipiell ja nicht ernst zu nehmen sind. Klischees, Kitsch, Nonsens, so das selbst auferlegte Motto und Markenzeichen. Vom deutschen Schlager über Cowboy-Fantasien bis zum französischen Chanson wird alles Mögliche bedient. Die ersten Nummern - „Vamos“, „Chiquitita“ und „El Dorado“ - sind klarer Tex-Mex à la Lassos Mariachis. Und triefen vor gelangweilter männlicher Verzweiflung. „Daniela sagt“, dessen Text vom österreichischen Pop-Literaten Martin Amanshauser stammt, ist gleichermaßen Liebes- wie Kinderlied und die erste beschwingte Nummer des insgesamt eher melancholischen Albums. „Gringo“ führt zurück in die mexikanische Prärie und dann endlich: der Sprung über den Ozean, hinein ins französische Chanson. Hoch leben Jaques Brel und Serge Gainsbourg, wenn Roland Cresnar ein kratziges „Je t’aime“ ins Mikrofon singt. „Der Schwimmer“, wieder klassisch Lassos und dann „Faro triste“, das erste echte Highlight des neuen Albums. Zu den sanften Männerstimmen Jürgen Planks und Roland Cresnars gesellt sich die Stimme von Birgit Paul. Was wie ein typischer Schlager-Sprechgesang beginnt, wird immer lyrischer, bunter und flotter. Sehr fein. Ausgezeichnet sogar. Und mitverantwortlich: Günther Freitag, der diesen grandios-komischen Text zu verantworten hat. Dann „Number One“, auf „Faro triste“ eher ein Dämpfer, neben „Daniela sagt“ zwar eine der lustigsten Geschichten – Geschichtenerzähler sind die Lassos schließlich auch, musikalisch lässt diese Nummer aber zu wünschen übrig. Nicht weiter tragisch. Denn der Höhepunkt des dritten Lasso-Albums folgt anschließend: „Wir sind Tiger“ ist mit Abstand die beste Nummer des neuen Albums. Da ertappt man sich beim Refrain glatt dabei, mitzusingen. Auch wenn der Text noch so wenig Sinn ergibt und wirklich purer Nonsens ist. Ob man sich dafür bei den Lassos entschuldigen muss? Entspricht laut Band-Statuten eigentlich nicht dem Lasso-Way, den sie sich von ihren Hörern und Sehern wünschen. In diesem Sinn: Perdón! (Concerto, Jänner 2007, Christa Salchner)

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